Mit Strahlen gegen Krebs

Die Protonentherapie ist eine besonders zielgenaue und dadurch schonende Form der Strahlentherapie. Diese Behandlung eignet sich vor allem für junge Menschen, die an Krebs erkrankt sind, sowie bei Tumoren in der Nähe strahlenempfindlicher Organe.

(Foto: Scanderbeg Sauer Photography)

Krebs und Krebstherapien

Jeder dritte Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens einen bösartigen Tumor. In der Schweiz erhalten jedes Jahr rund 45000 Menschen die Diagnose Krebs. Es gibt unterschiedlichste Krebsarten. Viele sind heute besser heilbar als noch vor ein paar Jahren. Jede Krebsart spricht auf eine bestimmte Therapie oder auf eine bestimmte Kombination von Therapien am besten an.

Die wichtigsten Krebstherapien sind:

  • chirurgischer Eingriff (Operation),
  • Bestrahlung (auch Radiotherapie oder Strahlentherapie genannt),
  • medikamentöse Therapie (z.B. Chemotherapie, Immuntherapie oder Antihormontherapie).

Mehr als die Hälfte aller Krebspatientinnen und Krebspatienten erhalten im Laufe ihrer Behandlung eine Strahlentherapie. Zumeist erfolgt die Bestrahlung in Kombination mit einer anderen Behandlungsmethode: Die Betreffenden erhalten also entweder vor, während oder nach der Bestrahlung noch eine andere Therapie. Selbst eine nicht operierbare Geschwulst kann durch eine Bestrahlung unter Umständen geheilt werden.

Strahlentherapien gehören wie Operationen zu den lokalen Behandlungsmethoden. Die Behandlung wirkt also ausschliesslich im Gebiet des Tumors. Das hat den Vorteil, dass auch mögliche Nebenwirkungen lokal begrenzt sind. Chemotherapien und andere sogenannte systemische Therapien hingegen sind dann sinnvoll, wenn kleinste Ansammlungen von Tumorzellen oder Metastasen – also Zellen, die sich vom ursprünglichen Tumor abgelöst haben – im Körper abgetötet werden sollen.

Strahlentherapie

In der Strahlentherapie wird Krebs mit Hilfe ionisierender Strahlen behandelt. Solche Strahlen schädigen das Erbgut im Zellkern der Krebszelle. Die bestrahlte Krebszelle kann sich daraufhin nicht mehr teilen und stirbt ab. Zwei Arten ionisierender Strahlen kommen in der Krebstherapie zum Einsatz: entweder Röntgenstrahlen oder geladene Teilchen.

In der herkömmlichen Radioonkologie nutzen Strahlenmediziner Röntgenstrahlen. Weltweit entstehen jedoch immer mehr Behandlungszentren in denen Patienten mit Protonenstrahlen behandelt werden. Das Paul Scherrer Institut PSI in Villigen ist einer der Pioniere für diese vergleichsweise neue Therapieform. Protonen sind positiv geladene Teilchen. Man spricht deshalb auch von Teilchenstrahlung oder Partikelstrahlung. Protonenstrahlen sind die am häufigsten verwendeten Strahlen in der Partikeltherapie.

Was sind Protonen?

Protonen sind Bestandteile von Atomen, genauso wie Neutronen und Elektronen. Neutronen und Protonen finden sich im Atomkern, Elektronen in der Atomhülle. Protonen tragen eine positive elektrische Ladung. Gemeinsam mit den ungeladenen Neutronen und sie in Form von Atomen die Bausteine aller festen, flüssigen und gasförmigen Stoffe und somit aller Gegenstände und Lebewesen.

Für die Protonentherapie am PSI gewinnen wir Protonen aus Wasserstoff, dem Hauptbestandteil des Wassers. Denn das Wasserstoffatom ist das einfachste Atom überhaupt: Es besteht nur aus einem Proton und einem Elektron; es hat kein Neutron. Durch eine elektrische Entladung werden die negativ geladenen Elektronen vom Wasserstoffatomkern getrennt. Übrig bleiben die Protonen mit ihrer positiven Ladung. Für die Protonentherapie werden diese Protonen dann in einer grossen ringförmigen Maschine (Zyklotron) stark beschleunigt, gebündelt und in Form eines Strahls zum Tumor der Patientin, des Patienten gelenkt.

Übrigens benötigt man für die Protonentherapie nur äussert kleine Mengen an Wasserstoff: Bei einer Behandlung mit 35 Sitzungen werden insgesamt bloss 6 billionstel Gramm des Elements verbraucht. Oder anders gesagt: 1 Gramm Wasserstoff würde theoretisch ausreichen, um die gesamte Weltbevölkerung mit Protonen zu behandeln.

So wirken Protonen im Körper

Protonenstrahlen wie auch Röntgenstrahlen schädigen das Erbgut von Krebszellen. Dadurch verliert die Krebszelle die Fähigkeit sich weiter zu teilen und stirbt ab.

Beide Strahlenarten wirken allerdings nicht nur auf Krebszellen, sondern auch auf gesunde Zellen. Bei einer herkömmlichen Bestrahlung mit Röntgenstrahlen wird das Gewebe rund um die Geschwulst deshalb immer in Mitleidenschaft gezogen. Bei der Protonentherapie ist dies deutlich weniger der Fall: Das umliegende Gewebe und lebenswichtige Organe werden besser geschont.

Protonenstrahlen entfalten ihre Hauptwirkung dort, wo sie erwünscht ist, nämlich im Tumor. Dies weil die Eindringtiefe von Protonen exakt vorausberechnet werden kann. Der Protonenstrahl entfaltet somit im Tumorgebiet sein Dosis-Maximum. Denn an der Stelle, wo das Proton stoppt, wird der Grossteil der Energie an der sogenannten Bragg-Spitze abgegeben – benannt nach ihrem Entdecker William Henry Bragg. Dahinter gibt es keine Strahlung mehr. Auch auf ihrem Weg von der Körperoberfläche bis zur Geschwulst bestrahlen die Protonen die gesunde Umgebung nur geringfügig, wie in der Abbildung zu sehen ist.

Eine Protonentherapie belastet den Körper bei gleicher Dosis nur halb so stark wie eine herkömmliche Bestrahlung: Nachbarstrukturen und besonders auch empfindliche Organe wie Gehirn, Augen, Wirbelsäule, Herz oder Darm werden geschont. Sie als Patientin oder Patient profitieren von geringeren Nebenwirkungen.

Strahlendosis eines bleistiftdünnen Protonenstrahls entlang der Eindringtiefe in den Körper. Die Reichweite dieser Protonen ist 25 cm.

Oben die als Höhenlinien dargestellte Dosisverteilung, unten die Dosiswerte längs der Tiefe, im Vergleich mit einem Photonen-Dosis­verlauf (Röntgenstrahlen-Dosisverlauf).

Die Zielgenauigkeit der Protonentherapie erlaubt es bei bestimmten Krebs arten unter Umständen auch, dass mit höheren Strahlendosen bestrahlt werden kann. Das verbessert die Heilungschancen.

Für wen eignet sich die Protonentherapie?

Die Protonentherapie ist heute in vielen Ländern noch wesentlich teurer als eine konventionelle Strahlentherapie mit Photonen. Deshalb kommt die Therapie heute nur für Patientinnen und Patienten in Frage, bei denen im Vergleich zu einer herkömmlichen Bestrahlung bedeutende Vorteile zu erwarten sind. In der Schweiz sind diese Krebsarten im Anhang 1 der Krankenpflege-Leistungsverordnung verzeichnet.

Krebskranke Kinder profitieren besonders. Denn je jünger ein Patient ist, desto wichtiger ist es, das Risiko von Langzeitnebenwirkungen der Bestrahlung zu minimieren. Hierzu zählen Wachstums- und Entwicklungsdefizite. Auch das Risiko von Zweittumoren, die durch eine Mitbestrahlung gesunden Gewebes Jahre oder Jahrzehnte später entstehen können, wird minimiert. Das Paul Scherrer Institut ist deshalb spezialisiert auf die Strahlenbehandlung bei Kindern.

(Foto: Scanderbeg Sauer Photography)

Die Vorteile der Protonentherapie auf einen Blick

  • Hochpräzise Bestrahlung des Tumors
  • Hohe Strahlendosis im Tumor mit vorteilhafter Dosisverteilung
  • Geringe Belastung gesunder Körperzellen
  • Wenige Nebenwirkungen, gute Lebensqualität
  • Gute und nachhaltige Heilungschancen