Moleküle bei der Arbeit fotografiert

Röntgenblitze am Paul Scherrer Institut zeigen, wie sich Moleküle während des Ablaufs einer chemischen Reaktion verändern

Anfangs- (blau) und Endzustand (rot) des untersuchten Moleküls, bei dem es sich um Eisentrisbipyridin handelt.

Forscher der ETH Lausanne (EPFL) und des Paul Scherrer Instituts (PSI) haben als erste live verfolgen können, wie sich die Struktur eines komplexen Moleküls während einer chemischen Reaktion verändert. Darüber berichten sie heute in der neuesten Ausgabe von ScienceExpress – der Online-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science. In ihrem Experiment haben die Forscher mit Röntgenpulsen, die nur wenige Femtosekunden lang waren, die Strukturen abgebildet, die das Molekül auf dem Weg vom Anfangs- zum Endzustand einer Reaktion durchläuft. Die Pulse wurden an der Synchrotronlichtquelle SLS des Paul Scherrer Instituts in Villigen erzeugt. Ähnliche Moleküle, wie die untersuchten, spielen in lebenden Organismen eine wichtige Rolle. So könnten diese Experimente helfen, wichtige Lebensprozesse zu verstehen.

Viele Vorgänge im Organismus wie zum Beispiel das Sehen oder der Sauerstofftransport im Blut beruhen darauf, dass komplexe Moleküle zerfallen, neu entstehen oder ihre Form verändern. Da zwischen Anfangs- und Endzustand nur Milliardstel Sekunden liegen, muss man den Prozess mit extrem kurzen Belichtungszeiten fotografieren, wenn man die einzelnen Zwischenstufen beobachten möchte. Während man schon länger einfache Informationen über die Zwischenzustände einer solchen Reaktion gewinnen konnte, haben die Forscher nun erstmals deren detaillierten Strukturen beobachtet.

Möglich wurde dies durch ein Verfahren, das von der Gruppe um Majed Chergui von der EPFL mit Forschern des Paul Scherrer Instituts entwickelt wurde: Sie regten die Veränderung des Moleküls mit einem Femtosekunden-Laserpuls an, der gewissermassen den Startschuss für die Reaktion darstellte und beobachteten dann einige Femtosekunden später die aktuelle Struktur des Moleküls mit einem ähnlich kurzen Röntgenpuls. Der Röntgenpuls wurde in der Synchrotron Lichtquelle Schweiz am Paul Scherrer Institut in Villigen – einem Elektronenbeschleuniger mit einem Umfang von 288 Metern – erzeugt. Die an in zahlreichen Laboren verfügbaren Femtosekundenlaser können diese detaillierte Strukturinformation nicht liefern. (1 Femtosekunde = 10-15 Sekunden, d.h. 1 Femtosekunde verhält sich zu einer Sekunde wie eine Sekunde zu 32 Millionen Jahren!)

In ihren Experimenten untersuchten die Forscher komplexe Moleküle, die um ein Metallatom herum aufgebaut sind und zwar unter natürlichen Bedingungen – d.h. in einer flüssigen Umgebung. Ähnliche Moleküle haben eine zunehmende Bedeutung in Anwendungen wie Datenspeicherung oder Photovoltaik. Sie ähneln in ihrem Aufbau aber auch Molekülen, die für das menschliche Leben unverzichtbar sind – etwa dem Hämoglobin, das für den Sauerstofftransport im Blut verantwortlich ist. So können diese Forschungsarbeiten zum Verständnis von grundlegenden Lebensprozessen beitragen.

Professor Majed Chergui
Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne
Laboratoire de Spectroscopie

Tel: +41 21 693 04 57, 
Mobil: +41 76 569 55 66 
majed.chergui@epfl.ch

Dr. Rafael Abela
Labor für Synchrotronstrahlung I
Paul Scherrer Institut PSI

+41 56 310 32 71
rafael.abela@psi.ch

Femtosecond XANES study of the light-induced spin crossover dynamics in an Iron(II)-complex; 

Ch. Bressler, C. Milne, V.-T. Pham, A. ElNahhas, R. M. van der Veen, W.,Gawelda, S. Johnson, P. Beaud, D. Grolimund, M. Kaiser, C. N. Borca, G., Ingold, R. Abela, and M. Chergui, 

Originalveröffentlichung in Science

About PSI

The Paul Scherrer Institute PSI develops, builds and operates large, complex research facilities and makes them available to the national and international research community. The institute's own key research priorities are in the fields of future technologies, energy and climate, health innovation and fundamentals of nature. PSI is committed to the training of future generations. Therefore about one quarter of our staff are post-docs, post-graduates or apprentices. Altogether PSI employs 2300 people, thus being the largest research institute in Switzerland. The annual budget amounts to approximately CHF 460 million. PSI is part of the ETH Domain, with the other members being the two Swiss Federal Institutes of Technology, ETH Zurich and EPFL Lausanne, as well as Eawag (Swiss Federal Institute of Aquatic Science and Technology), Empa (Swiss Federal Laboratories for Materials Science and Technology) and WSL (Swiss Federal Institute for Forest, Snow and Landscape Research). (Last updated in June 2024)