Vom Onlinetest nach Paris
Vielleicht reicht es ins Finale, vielleicht sogar für eine Medaille - oder es bleiben einfach tolle Erfahrungen.
Mit dieser Einstellung haben Leon Zimmermann und ich uns letztes Jahr erneut für die Physikolympiade angemeldet. Ich hatte 2023 das Finale knapp verpasst, Leon war bereits damals Finalist. Aber was dann folgte, hätten wir beide uns nie träumen lassen: Am Ende durften wir die Schweiz an der Internationalen Physikolympiade in Paris vertreten.
Runde 1 – Lockerer Einstieg vor dem Bildschirm
Wie bei vielen Schweizer Wissenschaftsolympiade begann auch diese im Spätsommer, August bis September, mit der ersten Runde: einem Onlinetest mit etwa 20 Kurzfragen. Kein grosses Hindernis, eher ein Warm-up.
Runde 2 – Physiklager und schriftliche Prüfungen
Im Herbst folgte das Physiklager in Vordemwald. Dort wurden wir intensiv auf die zweite Runde vorbereitet: Thermodynamik, Elektrostatik, Mechanik, Optik, Fluiddynamik und Mathematik – das volle Programm. Gleichzeitig lernten wir viele Gleichgesinnte kennen.
Im Januar wurde es ernst: An der Universität Bern schrieben wir zwei Prüfungen – eine mit 20 Multiple-Choice Fragen, wofür wir eine Stunde Zeit hatten. Nach dem Mittagessen folgte eine weitere 3-stündige Prüfung mit drei langen, theoretischen Problemen. Diese war meines Erachtens einfacher als bei der vergangenen Prüfung. Es ein unbeschreibliches Gefühl, als ich an einem Montagmorgen auf dem Weg zur Schule die Mitteilung für meine Finalqualifikation erhielt.
Runde 3 – Heimspiel in Aarau
Nun galt es für uns beide ernst, denn unsere Platzierungen im 2. Test liessen uns im Verborgenen von möglichen Medaillenchancen träumen. Vor der Prüfung fand jedoch noch ein verlängertes Wochenende an der EPFL in Lausanne statt, wo wir wiederum in den benötigten Physikstoff eingeführt wurden. Einziger Unterschied: Dieser war komplexer und wurde unserem Verstand nicht serviert, sondern vielmehr an den Kopf geworfen. Im März ging es zum Finale an die neue Kantonsschule Aarau - für uns beide ein Heimspiel. Und das nahmen wir uns zu Herzen. So ergatterte sich Leon mit dem 5. Rang eine Goldmedaille, und ich mit dem 8. Platz Silber. Doch damit war noch lange nicht Schluss – aus bis heute für mich etwas schleierhaften Gründen stellten wir am Ende 2/5 der Schweizer Delegation an der Internationalen Physikolympiade in Paris.
Trotz grosser Vorfreude stand uns einiges im Weg, was eine gute Vorbereitung verhinderte. Auch die beiden Trainingswochenenden – eines experimentell, eines theoretisch- konnten das nicht vollständig wettmachen. So fühlte sich die grosse Treppe an der Ecole Polytechnique de Paris eher wie der Gang zur Guillotine an als der Aufstieg zu einer spannenden Herausforderung. Und das gleich zweimal: Der Wettbewerb bestand aus zwei Prüfungen à fünf Stunden, in denen uns die Aufgabensteller sowohl theoretisch als auch experimentell alles abverlangten. Vier von fünf Aufgaben empfand ich persönlich als ziemlich unelegant, die Experimente erinnerten eher an sogenannte «Küchenversuche», wie man sie bei den Physiklaboranten nennt. Auch in der Theorie war wenig Raum für Kreativität. Trotzdem hatte ich nach den zehn Prüfungsstunden ein überaus gutes Gefühl und glaubte insgeheim an eine Honorable Mention. An der Closing-Zeremonie wurde ich dann jedoch auf brutale Weise eines Besseren belehrt, oder besser gesagt 80 Prozent der Schweizer Delegation. Denn bis auf eine Bronzemedaille ging die Schweiz leer aus.
Und was bleibt? Viel mehr als Medaillen.
Am Ende stellt sich natürlich die Frage: Was bleibt? Eine ganze Menge – und nicht nur physikalisches Wissen.
- Franzosen können nicht organisieren,
- Ich weiss jetzt, wie sich «gekocht werden» anfühlt 😉,
- Fluiddynamik bleibt nicht mein Ding,
- Edelweiss-Hemden sind ziemlich unbequem,
- und «S Zöndhölzli» eignet sich definitiv besser als Schweizer Nationalhymne.
Aber im Ernst: Niemand von unserem Team ging wirklich leer aus. Wir haben unzählige inspirierende Menschen kennengelernt, Erfahrungen gesammelt, die uns keiner mehr nimmt – und eine Reise gemacht, die wir nie vergessen werden.