Weltrekord in Attosekundenmessung am SwissFEL

Wissenschaftler stossen mit Freie-Elektronen-Röntgenlasern bis in den Attosekundenbereich vor und machen damit Diagnoseinstrumente mit höherer Präzision erforderlich. Forschende am Paul Scherrer Institut PSI haben nun gezeigt, dass sie in der Lage sind, Pulse mit einer Dauer von nur 300 Attosekunden zu charakterisieren – ein Weltrekord der zeitlichen Auflösung mittels Elektronenstrahl-Streaking.

Eduard Prat (links) und Paolo Craievich am SwissFEL sind stolz auf die Teamarbeit, die nun zu einem Weltrekord bei der zeitlichen Auflösung der Messung von Röntgenpulsen mittels Elektronenstrahl-Streaking geführt hat. © Paul Scherrer Institut PSI/Mahir Dzambegovic

Freie-Elektronen-Röntgenlaser wie der SwissFEL erzeugen kurze und starke Röntgenlichtblitze, mit denen es Wissenschaftlern möglich ist, atomare und molekulare Prozesse in Aktion zu verfolgen. Nun versuchen die Forscher, immer kürzere Lichtblitze zu erzeugen, um Zeitskalen im Bereich von Attosekunden (10-18 Sekunden) zu erreichen und die Bewegung von Elektronen in Echtzeit zu beobachten.

Um solche ultraschnellen Vorgänge mit Röntgenstrahlen einzufangen, benötigt man nicht nur Attosekundenpulse, sondern auch die Möglichkeit, die Röntgenstrahlen präzise zu charakterisieren. «Man muss beispielsweise genau wissen, wie lange die einzelnen Pulse dauern und wann der hellste Bereich eines Pulses eintrifft», sagt Eduard Prat, Wissenschaftler in der Strahldynamikgruppe am SwissFEL. «Ohne diese Information ist man bei vielen wissenschaftlichen Anwendungen blind.» 

Ein Team des PSI hat kürzlich nachgewiesen, dass PolariX – eine Art Hochfrequenzdeflektor, den das PSI in Zusammenarbeit mit dem CERN und dem deutschen Forschungszentrum DESY entwickelt hat – die ehrgeizigen Anforderungen der Attosekundenforschung erfüllen kann. 

Die Elektronen erzählen die Geschichte des Röntgenlichts, das sie erzeugt haben.

Um das Röntgenlicht im SwissFEL zu erzeugen, werden Elektronenpakete auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und in sogenannten Undulatoren durch eine Reihe von Magneten hin- und herbewegt, wobei sie intensive Photonenblitze – die Röntgenimpulse – aussenden. 

Bei zeitlichen Massstäben, die in Attosekunden gemessen werden, ist es schwierig, die Eigenschaften dieser Pulse direkt und zuverlässig zu bestimmen. Röntgenstrahlen wechselwirken nur schwach mit Materie, und herkömmliche Sensoren sind nicht schnell genug, um Ereignisse im Attosekundenbereich aufzulösen. Stattdessen können die Wissenschaftler die Elektronen untersuchen, die das Röntgenlicht erzeugt haben. 

Die PolariX befindet sich hinter den Undulatoren und misst die Elektronenpakete, nachdem sie ihre Photonen ausgesandt haben. Das Gerät lenkt den Strahl mithilfe eines Hochfrequenzfeldes ab und spreizt die Elektronen entsprechend ihrer genauen Ankunftszeit – eine Technik, die als Elektronenstrahl-Streaking bezeichnet wird. Anhand der Verteilung lässt sich die Länge der einzelnen Elektronenpakete bestimmen.

Die Elektronen verlieren Energie, wenn sie Photonen aussenden. Durch die Messung dieser Energiedifferenz und ihrer Verteilung auf die verschiedenen Bereiche des Elektronenstrahls, die Laserlicht aussenden, liefert PolariX Informationen über den Röntgenpuls, insbesondere darüber, wie sich seine Intensität im zeitlichen Verlauf ändert.

An der ATHOS-Strahllinie des SwissFEL misst PolariX die Röntgenpulslänge durch Aufspreizen des Elektronenstrahls. Die Hochfrequenzstruktur besteht aus einer Reihe von Kupferzellen, die mit einer einzigartigen PSI-Technologie hochpräzise gestapelt und verlötet werden. © Paul Scherrer Institut PSI/Paolo Craievich

Eine #MadeAtPSI-Erfolgsgeschichte

Elektronenstrahl-Streaking ist zwar eine relativ fest etablierte Technik zur Charakterisierung von Röntgenpulsen, doch das Besondere an PolariX ist, dass die seitliche Ablenkung (das Streaking) hier in jede beliebige Richtung erfolgen kann, was zu einer vollständigen Charakterisierung des Elektronenpakets beiträgt – das Verfahren wurde am CERN erfunden und am PSI mittels Hochfrequenztechnik realisiert. Im Gegensatz dazu lenken die meisten anderen Anlagen den Elektronenstrahl nur in eine Richtung ab und liefern daher nur begrenzte Informationen über den Strahl. 

Die PolariX hat sich in den letzten sieben Jahren am PSI zu einer der weltweit führenden Anlagen für diese Technik entwickelt. In Deutschland betreibt DESY, mit dem dieses Gerät entwickelt wurde, fünf solche Anlagen und das Team am PSI ist weltweit mit anderen Instituten im Gespräch, um ihnen seine HF-Technologie zur Verfügung zu stellen.

«Nahezu alle Systeme und Komponenten von PolariX wurden am PSI hergestellt», sagt Paolo Craievich, Gruppenleiter für HF-Systeme am PSI. «Wir haben im Laufe der Entwicklung von PolariX viele Erfahrungen gesammelt und sind nun weltweit führend auf diesem Gebiet. Ich bin sehr stolz auf den gesamten HF-Bereich – es ist das Ergebnis der Arbeit vieler verschiedener Menschen.» 

Ein Weltrekord in der zeitlichen Auflösung

Nun hat das Team des PSI in seiner jüngsten Publikation mit der Anlage eine Zeitauflösung von gerade mal 300 Attosekunden nachgewiesen: ein Weltrekord in der Elektronenstrahl-basierten Diagnostik der Pulsdauer. Die Messungen wurden an der Strahllinie Athos des SwissFEL durchgeführt, an der „weiche“ Röntgenstrahlung erzeugt wird.

«Dieser Erfolg ist auf eine Kombination von Faktoren zurückzuführen und zeigt die sich gegenseitig ergänzenden Kompetenzen am SwissFEL», erklärt Craievich. «Er ist auf die hohe Qualität zurückzuführen, die wir mit den HF-Systemen anstreben. Er ist aber auch zurückzuführen auf die geringe Emittanz des Elektronenstrahls und die exzellente Steuerung der Strahloptik.» 

Die Möglichkeit, Pulse mit einer Auflösung im Attosekundenbereich zu messen, ergänzt die Forschungsanstrengungen am SwissFEL zur Entwicklung von Attosekundenpulsen (siehe SwissFEL: Ein Werkzeug der nächsten Generation für die Attosekundenforschung | News & Events | PSI). In dem Masse, in dem die Bemühungen zur Erzeugung von Attosekundenpulsen am SwissFEL voranschreiten, wird auch die Messung dieser Pulse mit der gleichen Präzision vorangetrieben – mit derselben Entschlossenheit, die zu diesem Weltrekord geführt hat: «Unser Ziel ist es, eine Auflösung von 100 Attosekunden zu erreichen», sagt Prat. 

Der Nobelpreis für Physik ging 2023 an Pierre Agostini, Ferenc Krausz und Anne L‘Huillier für ihre bahnbrechenden Arbeiten auf dem Gebiet der Attosekundenforschung, welche die Bewegung von Elektronen in ihrem natürlichen Zeitmassstab beleuchtet. Die Bewegung von Elektronen ist eine der grundlegendsten Triebkräfte für Veränderungen in der Natur. Sie ist die Grundlage für alles: von der Bildung und der Lösung chemischer Bindungen über die Funktionsweise biologischer Prozesse bis hin zum Ladungsfluss in hoch entwickelten Materialien – und den darauf aufbauenden elektronischen Technologien und Quantentechnologien.

Die mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Attosekundenforschung wurde mit Tischlasersystemen im extrem ultravioletten Energiebereich durchgeführt (allerdings mit komplexen Systemen!). Der nächste grosse Schritt besteht darin, die Vorteile des Freie-Elektronen-Röntgenlaserlichts mit diesem erstaunlichen Zeitmassstab zu kombinieren – ein Schritt, der unsere Möglichkeiten zur Erforschung von Materie, Leben und Licht grundlegend verändern würde.

Dr. Paolo Craievich
Center for Accelerator Science and Engineering
Paul Scherrer Institut PSI

+41 56 310 24 90
paolo.craievich@psi.ch

Dr. Eduard Prat
Center for Accelerator Science and Engineering
Paul Scherrer Institut PSI

+41 56 310 37 1
eduard.prat@psi.ch

  • Prat E, Geng Z, Kittel C, Malyzhenkov A, Marcellini F, Reiche S, et al.
    Attosecond time-resolved measurements of electron and photon beams with a variable polarization X-band radiofrequency deflector at an X-ray free-electron laser
    Advanced Photonics. 2025; 7(2): 026002 (9 pp.). https://doi.org/10.1117/1.AP.7.2.026002
    DORA PSI