Wissenschaft trifft Industrie – Innovation mit Wirkung

Seit 2023 hat die niederländische VDL Enabling Technologies Group (VDL ETG) eine Niederlassung im Park Innovaare in Villigen – direkt neben dem Paul Scherrer Institut PSI. Als Teil des Familienunternehmens VDL Groep ist VDL ETG ein weltweit tätiger Zulieferer von Unternehmen, die Hightech-Produktionsanlagen herstellen und hochmoderne Fertigungslinien nutzen. Hans Priem ist Business Development Manager bei VDL ETG. Cees Maris ist der Hauptverantwortliche für VDL ETG im Park Innovaare.

Das international tätige Unternehmen VDL ETG hat auch einen Sitz am Park Innovaare – und dort vom Fenster aus einen direkten Blick auf die Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des PSI. Gemeinsam mit PSI-Forschenden arbeitet VDL ETG unter anderem an Prototypen für die Mikrochip-Inspektion sowie im Bereich der Magnet-und Kryotechnik, erzählen Hans Priem (links) und Cees Maris © Paul Scherrer Institut PSI/Markus Fischer

Was stellt Ihr Unternehmen her?

Hans Priem: Wir sind ein sogenannter «contract manufacturing partner». Unsere Kunden verkaufen zum Beispiel Maschinen zur Herstellung von Halbleitern oder Produkte in den Bereichen Analytik, Weltraum, Medizin und vieles mehr. Diese Maschinen sind immens komplex; zum Beispiel nutzen sie Hochvakuum, haben eine sehr hohe Genauigkeit und einen gewaltigen Durchsatz. Unsere Kunden lagern einen Teil der Entwicklung, der Produktion, der Montage und der Tests von Modulen oder ganzen Systemen an unser Unternehmen aus. Wir sind also im Bereich High-End und Hightech-Auftragsfertigung tätig.

Was bedeutet Advanced Manufacturing für Sie? 

Cees Maris: Wir sind in unserer Branche immer bestrebt, die Grenzen des Machbaren zu verschieben. Um dies zu erreichen, müssen wir die Physik hinter den von uns entwickelten Produkten genau verstehen. So können wir unseren Kunden optimale Lösungen anbieten, die zu einer erstklassigen Leistung innovativer Produkte führen. Ich würde diesen Ansatz als «Advanced Manufacturing» bezeichnen, und wir glauben, dass er durch die intensive Zusammenarbeit mit dem PSI und den Partnerfirmen im Park Innovaare sowie durch die Verbindung von Forschung und Industrie erreicht werden kann.

Hans Priem: Im Moment haben wir die richtige Infrastruktur und die entsprechenden Möglichkeiten, um die Bedürfnisse unserer Kunden zu bedienen. Aber die Herausforderung besteht nicht nur darin, diese Technologien jetzt zur Verfügung zu haben. Daher denken wir bereits heute darüber nach, was in fünf oder zehn Jahren benötigt wird. Auf der Grundlage des Inputs unserer Kunden und unserer eigenen Einschätzungen und Initiative haben wir uns entschieden, die bereits bestehende Beziehung und intensive Zusammenarbeit mit dem PSI zu stärken und eine Niederlassung am Park Innovaare zu gründen. Wir kennen das Institut sehr gut, da wir bereits beim Bau des SwissFEL und verschiedenen anderen Projekten mit dem PSI zusammengearbeitet haben.

Der Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL ist die jüngste Grossforschungseinrichtung des PSI. Was war der Beitrag von VDL ETG zum Bau dieser über 700 Meter langen Anlage, in der ein Linearbeschleuniger steckt?

Hans Priem: Wir haben über 12 000 hochpräzise Bauteile hergestellt, die zusammen die zentralen Elemente des Beschleunigerrohrs des SwissFEL bilden. Diese speziell geformten Kupferscheiben müssen sehr genaue Formund Lagetoleranzen von wenigen Mikrometern einhalten, ausserdem variiert die Geometrie von Scheibe zu Scheibe. Hergestellt wurden die Scheiben von VDL ETG Switzerland in Trübbach in der Ostschweiz. Es war schon etwas Besonderes für uns, dass wir eine so hohe Stückzahl mit einer solchen Präzision fertigen konnten. Wenn man in der Präzisionsfertigung gut ist – und ich glaube, das sind wir – dann ist es sehr wichtig, dass man bei derartigen Projekten mitmacht wegen des Technologiefortschritts. Hier bietet sich uns vor allem die Gelegenheit, unsere Fähigkeiten weiterzuentwickeln, und wir wenden diese Präzisionsfertigung dann in unseren hauptsächlichen Geschäftsbereichen an, beispielsweise als Zulieferer für den Bau spezieller grosser Elektronenmikroskope, die eine besonders hohe Auflösung haben, und bei unseren Kunden aus der Halbleiterindustrie.

Die Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS ist eine der fünf Grossforschungsanlagen des PSI. © Paul Scherrer Institut PSI/Mahir Dzambegovic

Inwiefern kann man die Beschleunigertechnologie bei der Halbleiterproduktion einsetzen? 

Cees Maris: Wir arbeiten unter anderem in der Halbleiter-Metrologie, also der Messtechnik. Wir stellen fest, dass es immer mehr Bedarf an der Inspektion von Mikrochips und Wafern gibt, weil in der Halbleiterindustrie so viele Schritte zur Herstellung eines Chips und zur Fertigstellung eines Wafers erforderlich sind, oft sind es 600 Prozessschritte für einen Wafer. Für die Qualitätskontrolle braucht es Prüfund Messverfahren. Röntgenlichtquellen auf der Basis von Beschleunigern gewinnen dabei zunehmend an Bedeutung für die Inspektion. Das PSI verfügt mit der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS und dem Freie-Elektronen-Röntgenlaser SwissFEL über eine Menge Wissen auf dem Gebiet von beschleunigerbasierten Röntgenlichtquellen.  Für die Realisierung solcher Grossforschungsanlagen braucht es zudem starke Magnete und es muss ein gutes Vakuum erzeugt werden. Dies sind Punkte, die auch in unseren Produkten Verwendung finden. Deshalb ist die Technologie dahinter für uns ebenfalls von grossem Interesse.

Hans Priem: Zudem wird die Beschleunigertechnologie auch in der Medizin eingesetzt, so etwa für die Protonentherapie, bei der das PSI Pionierarbeit geleistet hat. Und sie ist wichtig für die Entwicklung der Flash-Therapie, einer sehr gezielten Krebsbehandlung, bei der sehr hohe Strahlendosen in kurzen Pulsen verabreicht werden.

Die Gebiete, in denen VDL ETG tätig ist, decken sich also zum Teil mit den Forschungsgebieten des PSI?

Hans Priem: Ja, die Forschenden am PSI untersuchen eigentlich die gleichen Herausforderungen wie wir, aber aus einer anderen Perspektive. Die Kombination dieser beiden Sichtweisen führt auf beiden Seiten zu einer Reihe wichtiger, neuer Erkenntnisse. Das ist auch der Grund, warum es für uns von strategischer Bedeutung ist, Teil vom Park Innovaare und des PSI zu sein. Es handelt sich um eine langfristige Investition, um auch in fünf Jahren noch erfolgreich zu sein.

In unseren Projekten, die wir an Standorten in den Niederlanden durchführen, werden manchmal Projektfragen bearbeitet, für die es im PSI vielleicht schon Antworten gibt. Zu dieser Art von Projekten wollen wir mit unserem Team im Park Innovaare beitragen.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Hans Priem: Ja, wir sind zum Beispiel Teil des Teams, das die Prototypen für die Mikrochip-Inspektion baut. Ein anderer Bereich ist die Magnetund Kryotechnik, also die Tieftemperaturtechnik. Wenn man einen Prototyp baut, aber die physikalischen Grundlagen nicht genau kennt, kann man später bei der Produktion auf ein Problem stossen. Deshalb ist es viel sinnvoller, ein solches Prototyp-Projekt am Park Innovaare anzusiedeln. Denn wenn wir etwas entdecken, das wir nicht verstehen, können wir einfach die Strasse überqueren und haben am PSI die richtigen Experten mit den entsprechenden Kompetenzen, die uns helfen können.

An welchem konkreten Prototyp-Projekt arbeiten Sie zurzeit mit Forschenden des PSI zusammen?

Cees Maris: Zusammen mit dem Team der Magnetsektion des PSI führen wir Experimente zu sogenannten Pulsating Heat Pipes (PHP) bei sehr tiefen Temperaturen durch. Die PHP ist eine Röhre, die mit einem Medium gefüllt ist, das im angewandten Temperaturbereich sowohl in der Gasals auch in der Flüssigphase vorliegt. Die im PHP erzeugten Gasblasen bewirken, dass sich die Flüssigkeit hinund herbewegt. Die Idee ist, dass wir die PHP nutzen können, um Wärme von einem supraleitenden Magneten sehr effizient zum Kühlsystem zu transportieren.

Supraleitende Magnete werden zunehmend in Beschleunigern und in der Magnetresonanztomografie eingesetzt. Die Supraleitung bietet eine Reihe von Vorteilen. Man kann sehr starke Magnete herstellen, die wenig Energie verbrauchen, aber man muss sie auf eine sehr niedrige Temperatur kühlen. Unser gemeinsames Team baute einen Prüfstand im Magnetlabor des PSI. Wir haben das PHP mit Neon gefüllt und die Wärmeleitfähigkeit bei Temperaturen von minus 245 Grad Celsius getestet. Die Einrichtungen am PSI für diese Art von Experimenten sind sehr gut, aber vor allem die Leute von der Magnetsektion, der Abteilung Beschleuniger-Technologie und der Vakuumsektion haben dieses Projekt in einer sehr angenehmen Zusammenarbeit ermöglicht. Die ersten Ergebnisse dieser Versuche sind vielversprechend. Mögliche Anwendungen für diese Technologien sehen wir in der Halbleiterindustrie und Raumfahrt. Für Letztere ist interessant, dass das System ohne Gravitation funktioniert.

Würden Sie sagen, dass Ihre Zusammenarbeit mit dem PSI und hier im Park Innovaare etwas Besonderes ist?

Hans Priem: Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig unsere Freundschaft mit dem PSI und dem Park Innovaare-Team für uns ist. Rational gesehen ist sie zwar strategischer Natur, aber sie macht auch viel Spass. Und wir sind sehr stolz darauf, Teil dieses enorm produktiven und innovativen Netzwerks zu sein.

VDL Groep ist ein Industriekonzern und Familienunternehmen mit Sitz im niederländischen Eindhoven. VDL Enabling Technologies Group (VDL ETG) ist Teil der VDL Groep und beschäftigt weltweit rund 6000 Mitarbeitende. Ein Standort der VDL ETG befindet sich in Trübbach in der Ostschweiz. VDL ETG Switzerland hat rund 200 Mitarbeitende und ist spezialisiert auf die Systemintegration von hochpräzisen Komponenten, mechatronischen Systemen und kompletten Modulen in verschiedenen Bereichen der HightechIndustrie. Der Niederländer Hans Priem arbeitet seit 2010 als Manager bei VDL ETG. Cees Maris, ebenfalls Niederländer, ist Ingenieur, seit 2018 bei VDL ETG und baut seit 2023 das VDL-ETG-Büro im Park Innovaare auf.