Millionenförderung für Hirn- und Quantenforschung

Das Paul Scherrer Institut PSI erhält zwei weitere sogenannte ERC Starting Grants des Europäischen Forschungsrats (ERC) in Höhe von insgesamt rund 5 Millionen Euro. Damit werden neue Projekte auf den Gebieten der Hirnforschung sowie der Entwicklung von Quantencomputern gefördert.

Die Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS als 3-D-Grafik. Mithilfe ihres besonderen Röntgenlichts sollen Strukturen des Gehirns bis in die feinsten Verästelungen abgebildet und erforscht werden.
(Grafik: Paul Scherrer Institut/Mahir Dzambegovic)

Eines der beiden Projekte mit Namen XrayConnectomics wird die Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS des PSI intensiv nutzen. «Wir wollen verstehen, wie die Nervenzellen im Gehirn miteinander verknüpft sind und wie sie Informationen verarbeiten», sagt Adrian Wanner, Neurowissenschaftler am Labor für Biologie im Nanobereich des PSI. Dazu wird er eine neue Experimentierstation an der SLS aufbauen. In einem ersten Schritt wird er die Aktivitäten von Hunderten Nervenzellen messen und anschliessend mithilfe des Röntgenlichts der SLS die neuronalen Strukturen des entsprechenden Gehirngewebes bis in seine feinsten Verästelungen aufklären. «Das ermöglicht uns neue Einsichten in den Kommunikations-Schaltplan des Gehirns», so Wanner. «Die Verknüpfungen der Nervenzellen im Gehirn bilden sich aufgrund von Erfahrungen und Lernprozessen.» Wie diese Verknüpfungsmuster jedoch aussehen, welche zum Beispiel die Grundlage für das Arbeitsgedächtnis bilden, ist bislang unklar. Dies will Wanner mit seinem nun genehmigten Forschungsprojekt in Höhe von knapp 2,5 Millionen Euro herausfinden. «Das Projekt wird eine gewaltige Menge an experimentellen Daten erzeugen», sagt Wanner. «Das wird eine grosse Herausforderung, die nur mittels künstlicher Intelligenz bewältigt werden kann.» Mit dem Projekt erhofft sich Wanner neue Erkenntnisse über die Funktionsweise des Gehirns und damit mögliche neue Ansätze für medizinische Therapien zu gewinnen. «Derzeit ist es nicht möglich, neurodegenerative Erkrankungen zu heilen.» Das liegt unter anderem daran, dass man noch zu wenig über die Organisationsprinzipien der neuronalen Netzwerke und über die einzelnen Zelltypen im Gehirn weiss.  «Mit unserem Projekt wollen wir dazu beitragen, dass sich das ändert», so Wanner.

Qubits als Schlüssel für neue Quantencomputer

Einen ERC-Grant erhält auch Alexander Grimm, Physiker am PSI, für seine Forschung an Quantenbits und sein neues Projekt COOLCCAT. Quantenbits sind die Speichereinheiten und damit die Basis von Quantencomputern, welche klassischen Rechnern in bestimmten Anwendungen weit überlegen sind. Derzeit existieren Quantencomputer nur als einzelne Prototypen. Forschende stehen nämlich vor dem Problem, dass stabile Quantenbits – kurz auch Qubits genannt – schwer zu realisieren sind. Genau an dieser Stelle setzt Grimms Forschung an.

«Qubits beruhen auf den Regeln der Quantenwelt. In dieser gibt es nicht nur die zwei Zustände 0 und 1 von klassischen Bits, sondern es existieren auch Überlagerungen dieser beiden – wir sprechen dabei von Superpositionen», erklärt Grimm. Dadurch ergeben sich viel mehr mögliche Zustände, die ein Qubit einnehmen kann. Ein Vorteil, der jedoch auch mit einem Nachteil verbunden ist: «Herkömmliche Qubits tragen nur ein Quantum an Energie. Das ist die kleinstmögliche Menge Energie und darum sind sie extrem anfällig für Störungen und somit für Fehler.» Störungen sind in einem Quantencomputer allgegenwärtig, denn in ihnen trifft die Quantenwelt mit ihren eigenen Regeln auf die uns bekannte Alltagswelt mit der klassischen Physik. So ist jedes Qubit an die Welt der klassischen Physik angeschlossen, zum Beispiel mit Kabeln und Elektronik, denn schliesslich müssen auch Qubits geschrieben und ausgelesen werden. Diese Schnittstellen bringen Störungen in einen Quantencomputer.

Grimm möchte daher eine Sorte Qubits erschaffen, die sich Störungen gegenüber möglichst stabil verhält. Seine Kandidaten: Oszillator-Qubits, auch bosonische Qubits genannt. Diese bestehen beispielsweise aus einem extrem dünnen und schmalen Stück supraleitendem Metall, das einige Millimeter lang ist. «In solch einem drahtförmigen Bauteil können wir gezielt Schwingungen des elektromagnetischen Feldes anregen. Diese Anregungen verhalten sich quantenmechanisch und können uns als Informationsträger dienen», so der Physiker.

Die Schwingungen seien vergleichbar mit denjenigen eines Pendels. «Man kann ein Pendel erst nach links auslenken und dann loslassen. Oder man kann es erst nach rechts auslenken und loslassen. Diese zwei Möglichkeiten führen zu zwei Schwingungen, die sich physikalisch in ihrer sogenannten Phase unterscheiden», erklärt Grimm. Wollte man nun ein derart schwingendes Pendel in die jeweils andere Phase bekommen, müsste man es zunächst kurz festhalten. Das entspräche einer beachtlichen Störung. Ein derartiges Ereignis, noch dazu wenn es spontan auftreten müsste, ist auch in der Quantenwelt extrem unwahrscheinlich. «Dass wir also die Phase als Informationsträgerin nutzen, macht unsere Qubits so stabil», sagt Grimm.

Mit den 2,5 Millionen Euro, die ihm nun im Rahmen des ERC-Grants zugesprochen wurden, plant Grimm den experimentellen Nachweis, dass solche Qubits tatsächlich für Quantencomputer nützlich sind. «Bisher gibt es in diesem Bereich nur den ‘proof of concept’; das heisst, wir wissen, dass diese Art Qubits prinzipiell funktionieren, aber wir müssen nun zeigen, dass dies auch skalierbar ist und wir sie ganz praktisch zu einem Quantencomputer zusammenschliessen können.»

Text: Paul Scherrer Institut

Weitere Information

Im aktuellen Status der Schweiz als nicht assoziiertes Drittland erfolgt die Finanzierung der Principle Investigators (an Schweizer Hostinstitutionen) mit positiv evaluierten ERC 2021 Starting und Consolidator Grant-Proposals nicht durch die EC, sondern durch das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI:

Kontakt/Ansprechpartner

Dr. Adrian Andreas Wanner
Labor für Biologie im Nanobereich
Paul Scherrer Institut, Forschungsstrasse 111, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 33 09, E-Mail: adrian.wanner@psi.ch [Deutsch, Englisch]

Dr. Alexander Grimm
Labor für Röntgen-Nanowissenschaften und Technologien
Paul Scherrer Institut, Forschungsstrasse 111, 5232 Villigen PSI, Schweiz
Telefon: +41 56 310 41 76, E-Mail: alexander.grimm@psi.ch [Deutsch, Englisch]

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