Feinstaubpartikel lösen in der Lunge oxidativen Stress aus: in städtischen Gebieten mit starkem Strassenverkehr bis zu drei Mal stärker als in ländlichen Regionen. Dies zeigt eine Studie, die an 43 Standorten in ganz Europa von einem internationalen Forschungsteam mit Beteiligung von Forschenden des Paul Scherrer Instituts PSI und der Empa unter der Leitung der «Université Grenoble Alpes» durchgeführt wurde. Die nun in Nature veröffentlichten Ergebnisse liefern eine solide wissenschaftliche Grundlage für künftige europäische Normen und für Massnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit.
Luftverschmutzung durch Feinstaub ist nach wie vor ein grosses Problem für die öffentliche Gesundheit. Während die Massenkonzentrationen in Europa bereits reguliert sind, empfiehlt die neue europäische Richtlinie zur Luftqualität nun auch die Überwachung des sogenannten Oxidationspotenzials (OP) von Partikeln. Dieser Parameter gibt die Fähigkeit von Partikeln an, oxidativen Stress im menschlichen Körper auszulösen – ein Schlüsselmechanismus bei der Entstehung von Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Allerdings wurden hierfür noch keine Grenzwerte festgelegt. Die neue Studie schlägt nun erstmals Expositionsszenarien vor, die als Grundlage für die Festlegung künftiger europäischer Standards dienen könnten.
Die Forscher haben nahezu 11 500 OP-Messungen von 43 Standorten in ganz Europa (städtische, industrielle und ländliche Gebiete) durchgeführt und analysiert. Dabei wurden zwei standardisierte Methoden zur Messung des OP von Partikeln angewendet. Somit ist dies die umfassendste Datenbasis, die jemals zu diesem Thema zusammengestellt wurde.
Die Bedeutung der Emissionen aus dem Strassenverkehr und der Holzverbrennung
Die Forschenden beobachteten eine starke räumliche Variabilität des OP: An städtischen Strassenstandorten wurden bis zu dreimal höhere Werte gemessen als in ländlichen Gebieten. Partikel aus dem Strassenverkehr und der Holzverbrennung erwiesen sich dabei als Hauptverursacher des in der Atmosphäre gemessenen OP. Simulationen zeigen, dass eine Reduzierung der Emissionen aus diesen beiden Quellen um mindestens 15% erforderlich wäre, um die durchschnittlichen städtischen OP-Werte auf das Niveau der am wenigsten verschmutzten städtischen Gebiete zu senken. Um jedoch die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu erreichen, müssten die Massenkonzentrationswerte aus Verkehr und Holzverbrennung um jeweils mindestens 65% sinken.
Wegweisende Studie als Leitfaden für die Gesundheitspolitik in ganz Europa
Die Studie liefert die erste gross angelegte, harmonisierte Datenbasis zum OP in Partikeln der Umgebungsluft in Europa. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Überwachung des OP die Bewertung der Belastung durch Luftverschmutzung erheblich verbessern und zu einer effektiveren Ausrichtung der Emissionsminderungsmassnahmen beitragen könnte. Durch die Vorlage realistischer Expositionsszenarien schafft die Studie eine wissenschaftliche Grundlage für die Festlegung künftiger OP-Grenzwerte. Sie stellt einen wichtigen Meilenstein für die Umsetzung der überarbeiteten europäischen Richtlinie und die Gestaltung der Gesundheitspolitik im Hinblick auf die Auswirkungen der Luftverschmutzung dar.
Die PSI-Forschenden Kaspar Dällenbach und André Prévôt waren an mehreren Studienstandorten beteiligt und lieferten wertvolle Daten aus Osteuropa. Der Empa-Forscher Christoph Hüglin war für die Probenahme und chemische Charakterisierung der Partikelproben an den fünf Schweizer Standorten der Studie verantwortlich. Die Studie wurde von Gaëlle Uzu vom Institut für Geowissenschaften und Umwelt in Grenoble koordiniert, mit Cécile Tassel, Doktorandin an der «Université Grenoble Alpes», als Erstautorin.