Röntgenmikroskopie mit Superauflösung deckt die versteckten Geheimnisse in der Nanowelt auf

Ein neuartiges Röntgenmikroskop mit Superauflösung, das von einem Forscherteam des Paul Scherrer Instituts (PSI) und der ETH Lausanne (EPFL) in der Schweiz entwickeltwurde, kombiniert die hohe Durchdringungsleistung von Röntgenstrahlen mit einer hohen bildlichen Auflösung und ermöglicht es somit erstmals, Licht auf die detaillierteninneren Strukturen von Halbleiterbauelemen­ten oder Zellen zu werfen.

Die ersten Bilder in Superauflösung aus diesem neuartigen Mikroskop werden am 18. Juli 2008 in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Bei dem abgebildeten Gegenstand handelt es sich um unter der Oberfläche liegende Nanostrukturen. Die rechts sichtbaren Rillen sind von aussen nicht erkennbar, da sie komplett von einer Goldschicht überdeckt sind.
Konventionelle Rasterelektronenmikroskopaufnahme.
Der gleiche Gegenstand mit dem neuen Röntgenmikroskop mit Superauflösung aufgenommen.
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Franz Pfeiffer, EPFL-Professor und Leiter des Forscherteams, erläutert: Seit vielen Jahren arbeiten Forscher an Konzepten für ein Mikroskop mit Superauflösung mittels Elektronen und Röntgenstrahlen. Nur der Bau eines speziellen Instruments im Wert von mehreren Millionen Schweizer Franken an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz des PSI ermöglichte uns die Stabilität zu erreichen, die für die Implementierung unserer neuen Methode in der Praxis erforderlich ist.

Das neue Instrument setzt zudem den Megapixel-Detektor PILATUS ein, dessen grosser Bruder ebenfalls am PSI entwickelt wurde und in Kürze am Large Hadron Collider des CERN zum Einsatz kommen wird. PILATUS begeistert die Synchroton-Fachwelt durch seine Fähigkeit, Millionen einzelner Röntgenstrahlphotonen präzise zu zählen. Diese spezielle Eigenschaft ermöglicht die Aufzeichnung von detaillierten Beugungsbildern der Probe, während sie im Fokus des Strahls mit dem Rasterscan-Verfahren untersucht wird. Herkömmliche Transmissions-Rasterelektronenmikroskope messen im Gegensatz dazu nur die gesamte, von der Probe absorbierte Intensität.

Die Beugungsdaten werden anschliessend mit einem Algorithmus verarbeitet, der von dem Schweizer Team entwickelt wurde. PSI-Forscher Pierre Thibault, der Erstautor des Science-Artikels, erklärt: Wir haben einen Bildrekonstruktionsalgorithmus entwickelt, der die zigtausend Beugungsbilder bearbeitet und sie zu einem superaufgelösten Röntgentransmissionsmikroskopiebild zusammenfügt. Damit die Bilder von höchster Genauigkeit sind, berücksichtigt der Algorithmus nicht nur die Daten der Probe, sondern auch die exakte Form des Lichtstrahls der auf die Probe trifft.

Herkömmliche Elektronenrastermikroskope liefern hochauflösende Bilder von der Oberflächenstruktur eines Untersuchungegenstands. Das neue Mikroskop mit Superauflösung des Schweizer Teams kann jedoch tief in Halbleiterstrukturen oder biologische Proben hineinsehen. Dadurch können bei Halbleitern winzige Mängel, die bereits im Nanobereich liegen, entdeckt werden, obwohl diese defekten Strukturen tief im Innern des Bauteils versteckt sind. Die Analyse solcher Mängel, bei der der Untersuchungsgegenstand übrigens nicht zerstört wird sondern intakt bleibt, wird einen Beitrag zur Verbesserung der Qualität von Halbleitern leisten, wo Strukturgrössen unter hundert Nanometern zum Einsatz kommen. Ein weiteres, sehr vielversprechendes Anwendungsgebiet für die neue Technik sind die Lebenswissenschaften, wo die Durchdringungskraft der Röntgenstrahlen zur Abbildung von detailierten Strukturen im Inneren von Zellen bzw. Zellbestandteilen eingesetzt werden kann.

Schliesslich lässt sich das neuartige Mikroskopieverfahren auch auf Elektronen- oder Lichtstrahlen übertragen und kann zur Konzeption neuer und besserer Licht- und Elektronenmikroskope herangezogen werden.

Dr. Pierre Thibault
Forschungsassistent
Paul Scherrer Institut PSI

+41 79 629 70 63
pierre.thibault@psi.ch
(Englisch, Französisch) 

Prof. Dr. Franz Pfeiffer
Leiter der Forschungsgruppe
Paul Scherrer Institut PSI & EPFL

+41 76 320 10 45 
franz.pfeiffer@epfl.ch
(Englisch, Deutsch)

High-Resolution Scanning X-Ray Diffraction Microscopy, 
Pierre Thibault, Martin Dierolf, Andreas Menzel, Oliver Bunk, Christian David, und Franz Pfeiffer, 
Science, Vol 321 (2008).

Über das PSI

Das Paul Scherrer Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Zukunftstechnologien, Energie und Klima, Health Innovation und Grundlagen der Natur. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2300 Mitarbeitende, das damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz ist. Das Jahresbudget beträgt rund CHF 460 Mio. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL. (Stand 06/2024)