Energy Science for Tomorrow (ES4T) ist eine Joint-Initiative der ETH Zürich, ETH Lausanne EPFL, EMPA, PSI und dem Verkehrshaus der Schweiz. Ihr Ziel: Energiethemen für jede Generation verständlich und greifbar machen und dadurch den Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft fördern.
Es sind intime Fragen, mit denen das Ausstellungsstück Emission Explorer die Besucherinnen und Besucher des Verkehrshauses konfrontiert: «Wie ernährst du dich?» oder: «Wie oft kaufst du neue Dinge?». Die Fragen werden farbenfroh auf einem interaktiven Bildschirm mit fünf möglichen Antworten präsentiert: Lebe ich nun eher «vegan» oder esse ich Fleisch «wie ein Löwe»? Kaufe ich «fast nie etwas» oder «liebe ich Shopping». Gefragt sind kritische Selbsteinschätzung und gleichzeitig eine Prise Mut – denn schliesslich exponiert man sich mit der persönlichen Antwort auf dem Bildschirm auch den Nächsten in der Schlange.
Der Emission Explorer befindet sich im House of Energy und gehört seit Oktober 2024 zur Dauerausstellung im Verkehrshaus – dem meistbesuchten Museum der Schweiz mit über einer Million Eintritten im Jahr 2023. Finanziert wurde das Exponat vom ETH-Rat, der im Rahmen der Joint-Initiative ES4T den gesellschaftlichen Dialog fördern möchte. Wie sein Name suggeriert, hat das Exponat zum Ziel, das Emissionsverhalten der Besuchenden zu erkunden und sie für ihren ganz persönlichen CO₂-Fussabdruck zu sensibilisieren.
«Mit fünf einfachen Fragen wollen wir auf spielerische Art zeigen, wie das persönliche Verhalten den CO₂-Ausstoss beeinflussen kann», erklärt Alicia Siliézar – sie ist Projektmitarbeiterin bei ES4T. Die studierte Archäologin hat bereits Erfahrungen in verschiedenen Museen und Ausstellungen gesammelt und arbeitet neben ihrer Projekttätigkeit im ES4T auch im Besucherzentrum des PSI. «Ergänzend zu den persönlichen Emissionen zeigt unser Exponat auch systemische Emissionen auf, also solche, zu denen man indirekt beiträgt, weil sie beispielsweise durch die hiesige Infrastruktur entstehen.»
Dialogplattform für Energiethemen
Mit dem House of Energy eröffnete das Verkehrshaus im April 2023 nicht nur einen modernen und energieeffizienten Neubau, sondern betrat mit der dazugehörigen Ausstellung gleichzeitig thematisches Neuland. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Schienenhalle mit ihrer Sammlung historischer Schweizer Züge – ein Ort, der wohl in manchen Schweizer Besuchenden Schulreise-Nostalgie weckt – offenbart sich heute die Dauerausstellung «Experience Energy!», welche die Besucherinnen und Besucher in die nachhaltige Schweiz der Zukunft entführt.
Dabei werden verschiedene Partner aus Wirtschaft, Bildung und Forschung in die Gestaltung der Ausstellung miteingebunden und finden so eine Plattform zum politischen und gesellschaftlichen Dialog. Neben den Institutionen des ETH-Bereichs sind beispielsweise auch das Aargauer Stromversorgungsunternehmen Swissgrid oder das Energie- und Infrastrukturunternehmen BKW vertreten – letzteres zeigt in seinem Exponat, wie intelligentes Wohnen der Zukunft den Energieverbrauch reduzieren kann.
Für die Forschung, wie sie am PSI betrieben wird, bietet die Joint-Initiative ES4T ganz neue Möglichkeiten: «Diese Plattform hilft uns, Energiethemen einer breiten Öffentlichkeit näherzubringen – und damit das Verständnis für die Wichtigkeit und Dringlichkeit des Umbaus unserer Energieversorgung zu stärken: Weg von fossilen, hin zu erneuerbaren Energien», erklärt Christian Bauer, Umweltwissenschaftler am PSI-Labor für Energiesystemanalysen. Auch Mirjam van Daalen, Leiterin der PSI-Kommunikation betont: «Durch diese gemeinsame Initiative bringen wir koordiniertes, gebündeltes Wissen aus unserer Forschung im ETH-Bereich zu einem Familienpublikum.»
Martin Bütikofer, Direktor des Verkehrshauses, begründete bereits bei der Eröffnungsfeier des House of Energy, wie das Thema Energie zum Museum passt: «Wir hätten uns auch dafür entscheiden können, ein neues Haus für alte Lokomotiven zu bauen. Es gäbe auch unzählige alte Velos, die wir noch nicht haben», zitierte ihn damals die Luzerner Zeitung mit einem Augenzwinkern. «Das sind alles tolle Hobbys. Nur bringen sie uns als Gesellschaft nicht weiter. Dabei hat Energie zu hundert Prozent mit Mobilität zu tun.»
Energie als Antriebsform bildet jedoch nur einen Teilaspekt der Ausstellung. Sie beleuchtet auch aktuelle Themen wie Klimaerwärmung, Klimaschutz oder die künftige Sicherstellung der Energieversorgung. Ein Hologramm des Schweizer Umweltpioniers Bertrand Piccard nimmt uns beispielsweise mit auf eine animierte Reise in ein erneuerbares Energiesystem der Schweiz im Jahre 2050. Ein digitaler Globus visualisiert den Zusammenhang zwischen der Energienutzung der Menschen und den Auswirkungen auf das Klima und den Planeten.
Die Kunst des Vermittelns
Doch wie lassen sich komplexe wissenschaftliche Themen altersgerecht einem breiten Publikum vermitteln? «Experience Energy konnte in den ersten drei Monaten 200 000 Besuchende erreichen – das ist eine beeindruckende Sichtbarkeit», so Alicia Siliézar. «Vor allem Grosseltern mit ihren Enkelkindern kommen zu uns – und das ist die grosse Herausforderung: Wie kreieren wir Exponate und Workshops, die einen so grossen Altersunterschied abdecken?»
Ein Patentrezept für das perfekte Exponat existiert nicht. «So etwas entsteht in der Zusammenarbeit », erklärt Siliézar. «Wir als Institutionen liefern die Ideen, diskutieren sie durch und suchen mit dem Verkehrshaus nach einer ansprechenden Umsetzung.»
So entstand auch der Emission Explorer: Basierend auf einer wissenschaftlichen Studie der EMPA einigte sich die Initiative auf die fünf Alltagsfragen. «In der Diskussion entstand dann die Idee, das dabei entstehende Kohlendioxid (CO₂) in einem Ballon zu fangen und dadurch zu visualisieren», so Siliézar.
Der erste Prototyp bestand aus einem einfachen Schuhkarton, der über ein Hydrauliksystem einen physischen Ballon aufpumpte und den Besuchenden das darin gesammelte bildhafte «Kohlendioxid» ins Gesicht pustete. «Im weiteren Verlauf einigten wir uns darauf, den Ballon digital auf dem Bildschirm zu zeigen», erinnert sich Siliézar. «Das Hydrauliksystem – die Pumpen, die es zu betätigen gilt – sind jedoch geblieben. Denn nebst einer einfach zu verstehenden Message wollen die Besuchenden auch etwas zum Anfassen haben», schmunzelt Siliézar.
Durch diese gemeinsame Initiative bringen wir koordiniertes, gebündeltes Wissen aus unserer Forschung im ETH-Bereich zu einem Familienpublikum.
Eigene Expertisen miteinbringen
Nicht nur die Wissenschaft gilt es zu vermitteln; in einer so bunten Joint-Initiative ist auch intern Kommunikationstalent gefragt: «Es ist das erste Mal, dass eine solche Kooperation mit all den unterschiedlichen Perspektiven und Bedürfnissen der beteiligten Institutionen angestrebt wird. Wir haben in dieser Zusammenarbeit viel voneinander gelernt, um spannende Exponate und Workshops zu realisieren», so Siliézar.
Ein wichtiger Teil von ES4T ist es auch, Live- Events vor Ort zu gestalten: «In Zusammenarbeit mit dem iLab, dem Schülerlabor des PSI, konnten wir während der Energy Days – dem Themenwochen-ende zu erneuerbaren Energien im Verkehrshaus – einen Workshop organisieren. An diesem dreitägigen Event durften die Kids selber Hand anlegen und unter der Anleitung von Fachpersonen und Forschenden des PSI einfache Experimente durchführen.»
Auch bei der Gestaltung der Exponate ist viel Kreativität gefragt: «Im Moment arbeiten wir an einem Diorama – ein Schaukasten bestehend aus mechanischen und digitalen Elementen. In vier Geschichten, die den Jahreszeiten entsprechen, lernen die Besucherinnen und Besucher etwas über verschiedene Formen der Energiespeicherung in einem flexiblen Energiesystem. Hier übernehmen wir vom PSI den Lead», so Siliézar. Gleichzeitig arbeitet die ETH Zürich an einem interaktiven Exponat für die ganz Kleinen, das verschiedene Energieformen erlebbar macht. «Das soll vor allem ein sehr junges Publikum ansprechen – und gleichzeitig sollen auch die Betreuungsperson etwas dabei lernen.»
Die «Experience Energy!»-Ausstellung wächst: Neben dem persönlichen CO₂-Fussabdruck dürfen die Besuchenden bald noch mehr über die spannende Energieforschung im ETH-Bereich erfahren.