Neue Energiewege mit Wasserstoff
Eine Minigasturbine ergänzt die ESI-Plattform am PSI
Erneuerbare Energieträger sollen in der Schweiz ausgebaut werden und die Kernkraft ersetzen. Das hat der Bund in seiner Energiestrategie 2050 beschlossen. Am Paul Scherrer Institut PSI untersuchen Forschende Technologien, welche die Ausnutzung der neuen Energieformen verbessern, indem sie überschüssigen Strom beispielsweise aus Wind- und Solarenergie effizient weiterverwenden. Dabei spielt auch Wasserstoff eine wichtige Rolle. Dieser lässt sich mittels Power-to-Gas-Technologie aus zu viel Solarstrom herstellen, für Brennstoffzellen nutzen oder zu einem derzeit sehr geringen Anteil in das vorhandene Erdgasnetz einspeichern. Über einen weiteren Schritt kann er auch zu Methan – dem Hauptbestandteil von Erdgas – umgewandelt werden. PSI-Forschende prüfen jetzt an einer Minigasturbine, wie sich der Wasserstoffanteil im Erdgasgemisch erhöhen lässt.
An der ESI-Plattform am Paul Scherrer Institut PSI suchen Forschende nach Lösungen für die Energiezukunft der Schweiz. ESI steht dabei für Energy System Integration, zu Deutsch: Energiesystemintegration. Die Plattform ermöglicht es Spezialisten, verschiedene alternative Energiesysteme auf engem Raum allein oder im Verbund zu testen. An der ESI arbeiten die Forschenden zwar nicht direkt mit Windturbinen oder Solarzellen, doch sie tüfteln an Lösungen, wie sich deren überschüssiger Strom so effizient wie möglich weiterverwenden und speichern lässt. Deshalb hat das PSI seiner ESI-Plattform einen weiteren Baustein hinzugefügt: eine Gasturbine im Miniformat. Diese wandelt Methan, welches beispielsweise aus Biomasse erzeugt werden kann, wieder in Strom und Wärme um. Das nützt besonders, wenn Solarzellen und Windturbinen nur wenig Strom liefern.
Methan ist der Hauptbestandteil vom bisherigen fossilen Erdgas. Deshalb ist die Infrastruktur der Erdgasnetze auf Methan ausgelegt. Wenn wir an der ESI-Plattform Methan aus alternativen Energieträgern verwenden, können wir die bestehende Infrastruktur beibehalten und schneller umsteigen
, erklärt der Chemieingenieur Peter Jansohn, der für die ESI-Plattform verantwortlich ist.
Stromschwankungen ausgleichen
Die erneuerbaren Energiequellen Wind und Sonne stehen in der Schweiz nur unregelmässig zur Verfügung: Nicht immer, wenn viel Energie gebraucht wird, weht gerade starker Wind oder scheint die Sonne. Daher muss zu Zeiten mit hohem Windaufkommen oder Sonnenschein die so produzierte überschüssige Energie, die gerade nirgendwo gebraucht wird, gespeichert werden. Dies ist heute schon zu einem Teil in Pumpspeicherkraftwerken möglich, wo mit dem überschüssigen Strom Wasser zurück in die oberen Speicherseen gepumpt wird. Mit dem zunehmenden Anteil an Wind- und Sonnenstrom kommen die bestehenden Pumpspeicherkraftwerke jedoch an ihre Grenzen und können nicht mehr alle Stromspitzen abfangen.
Eine andere Speichermöglichkeit ist Wasserstoff. Das Gas lässt sich über die Power-to-Gas-Technologie in einem sogenannten Elektrolyseur erzeugen, der Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Dieser umweltfreundlich gewonnene Wasserstoff kann entweder als Kraftstoff in Brennstoffzellen genutzt werden oder im Gemisch mit Erdgas Turbinen antreiben, die zum gewünschten Zeitpunkt wieder Strom ins Netz einspeisen. Doch diese Technologie hat derzeit noch Grenzen. So darf dem Erdgas in der Schweiz nur maximal zwei Prozent Wasserstoff beigemischt werden. Denn Wasserstoff verbrennt anders als Erdgas, ist hochreaktiv und kann so zu Materialproblemen in den Gasturbinen führen.
Energieträger Methan
Eine Alternative ist deshalb die Weiterverarbeitung des Wasserstoffs: Zusammen mit Kohlenstoff wird daraus Methan. Dieses kann praktisch unbegrenzt dem Erdgas zugesetzt werden. Methan lässt sich zudem aus Biomasse direkt gewinnen. Die ist praktisch überall vorhanden, wo es organische Abfälle gibt: entweder in trockener Form als Holzschnitzel oder wässrig als Gülle und Klärschlamm. Der grosse Vorteil von Methan: Es lässt sich leichter lagern als Wasserstoff. Denn für die gleiche Energiemenge braucht man bei Methan nur ein Drittel des Speichervolumens von Wasserstoff. Doch der Zusatzschritt, um Methan aus Wasserstoff zu gewinnen, kostet wiederum Energie und senkt damit den Wirkungsgrad des gesamten Verfahrens.
Heisses Abgas treibt Turbine an und erzeugt Warmwasser
Wenn bei der Stromerzeugung aus dem Methan nicht noch weitere Energie für das System verloren gehen soll, braucht man effiziente Gasturbinen, die nicht nur Strom, sondern auch heisse Abgase für die Wärmeproduktion liefern
, sagt Jansohn. Genau das macht das neue Gerät an der ESI-Plattform. Die für die Verbrennung nötige, angesaugte Luft wird verdichtet und durch das warme Abgas aus der Turbine vorgewärmt. Dann wird sie dem Methan als warme Verbrennungsluft zugeführt. Das durch die Verbrennung entstehende heisse Gas ist alleine dafür verantwortlich, die ganze Maschine anzutreiben
, erklärt der Chemieingenieur. Das Heissgas bewegt das Turbinenrad und das damit verbundene Kompressorrad, das die Luft verdichtet.
Beide Räder sind zugleich auf einer Welle starr mit dem Generator gekoppelt, der elektrische Energie erzeugt. Der so erzeugte Strom fliesst entweder ins Stromnetz oder zurück in andere Teilsysteme der ESI, wo er wieder für andere Prozesse zur Verfügung steht. Damit schliesst sich der Kreislauf Power-to-Gas-to-Power, also die bedarfsgerechte Umwandlung von Strom in Gas und wieder zurück in Strom.
Durch die Verwertung der entstandenen Abgas-Wärme bereits innerhalb der Turbine erhöht sich ihr elektrischer Wirkungsgrad auf 30 Prozent. Zusätzlich dient auch die Restwärme dem PSI: Über eine Wärmekopplungsanlage trägt die Turbine zu einem kleinen Teil der Warmwasserversorgung des Instituts bei. Wenn Restwärme gleichzeitig noch zur Produktion von Warmwasser benutzt werden kann, steigt der Gesamtwirkungsgrad auf beeindruckende 80 Prozent.
Klein und kompakt
Die Minigasturbine in ihrem Gehäuse ist nicht grösser als ein Kleiderschrank, liefert eine elektrische Leistung von 100 Kilowatt und ergänzt damit die anderen Anlagen der ESI perfekt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, sämtliche Teilsysteme der ESI im 100-Kilowatt-Massstab zu testen, damit könnte man den Leistungsbedarf eines kleinen Quartiers mit etwa fünf bis sieben Einfamilienhäusern abdecken
, sagt Jansohn. Dieser Ansatz passt in den aktuellen Trend, die Stromversorgung zu dezentralisieren. Die Minigasturbine ist ein kommerzielles Produkt und eine typische Anlage zur Wärme-Kraft-Kopplung, wie sie in Hotelanlagen, Wohnsiedlungen oder auf Campingplätzen zum Einsatz kommen kann, um die dortige Infrastruktur mit Strom und Wärme zu versorgen.
Jansohn und sein Team an der ESI testen die kleine Gasturbine am PSI unter Forschungsbedingungen. Dafür haben sie einen klaren Auftrag: den Wirkungsgrad der neuen erneuerbaren Energiesysteme zu verbessern.
Mehr Wasserstoff im Erdgas
Der Chemieingenieur interessiert sich besonders für den chemischen Aspekt der Energieversorgung. Dieser führt ihn immer wieder zum Wasserstoff. Wasserstoff lässt sich in Zukunft relativ leicht gewinnen. Wenn wir mehr davon im Erdgas verwenden können, brauchen wir keinen weiteren Umwandlungsschritt
, so der Forscher. Seine früheren Untersuchungen mit anderen Gasbrennern haben gezeigt, dass man dem Methan bis zu 20 Prozent Wasserstoff zusetzen kann, ohne dass das Material durch lokale Überhitzung Schaden nimmt. Deshalb will er zusammen mit dem Projektleiter Dominik Ebi und seinem Team jetzt herausfinden, wie viel Wasserstoff die kleine Gasturbine verträgt und wie sie bei einem höheren Wasserstoffanteil auf Stromspitzen reagiert. Da Wasserstoff sehr reaktionsfreudig ist und sehr schnell verbrennt, könnte die Turbine mit mehr Wasserstoff im Brenngasgemisch sogar besser auf schnelle Laständerungen ansprechen, hoffen die Wissenschaftler. Dass Gasnetze für hohe Wasserstoffanteile fit gemacht werden können, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Noch bis vor rund 50 Jahren war Stadtgas in der Schweiz weit verbreitet und enthielt bis zu 50 Prozent Wasserstoff.
Text: Sabine Goldhahn