Startschuss für die energetische Nutzung von nasser Biomasse

Am 28. März 2014 wird am Paul Scherrer Institut PSI das Richtfest einer neuen Versuchsanlage zur Untersuchung der Energiegewinnung aus nasser Biomasse gefeiert. Die Anlage ist in einem Schiffscontainer untergebracht und soll aus Gülle, Klärschlamm oder Algen synthetisches Biogas produzieren.

Erich De Boni, Techniker im Labor für Bioenergie und Katalyse, war federführend bei der Realisierung von KONTI-C. Foto: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer.
PSI-Doktorand Gaёl Peng wird in der neuen Versuchsanlage für seine Dissertation wichtige Experimente durchführen können. Foto: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer.
Innenansicht von KONTI-C. Foto: Paul Scherrer Institut/Markus Fischer.
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In Biomasse steckt viel Energie – Energie, die erneuerbar und praktisch überall auf der Welt gewonnen werden kann. Für viele Länder wäre die Nutzung der in Biomasse gespeicherten Energie deshalb ein bedeutender Schritt in Richtung energetische Unabhängigkeit.

Grosse Teile der energetisch nutzbaren Biomasse liegen in nasser Form vor. Und sie liegt brach, weil bisher ein effizientes Verfahren für deren Umwandlung in Brenn- oder Treibstoffe fehlt. In der Schweiz wird das nachhaltige energetische Potenzial der nassen Biomasse auf 34.8 Petajoule pro Jahr geschätzt, nur 10.9 Petajoule jährlich werden aber tatsächlich verwertet.

Neben der schon heute vorhandenen nassen Biomasse liegt auch in Algen ein grosses Potenzial. Algen wachsen schnell und lassen sich sowohl zu Energieträgern als auch zu Feinchemikalien verarbeiten, aber der Forschungsbedarf zur Verwertung von Algen ist noch gross. Mit dem Ziel, die technisch-ökonomische Machbarkeit eines Verfahrens zur energetischen Nutzung von Algen zu demonstrieren, arbeitet das PSI zusammen mit der ETH Lausanne, der Empa und der Hochschule für Technik Rapperswil im Projekt SunCHem. Am PSI wurde nun im Rahmen dieses Projektes die neue Versuchsanlage realisiert.

Biogas aus nasser Biomasse

Der für die Trocknung der Biomasse erforderliche Energieaufwand ist oft zu hoch für eine wirtschaftliche Nutzung. Am PSI arbeiten Forscher an einem Verfahren, um den in nasser Biomasse schlummernden Energieschatz mit tieferen „Energiekosten“, also effizienter zu heben.

Das Verfahren, bei dem Methan erzeugt wird, wird als hydrothermale Vergasung bezeichnet. Es besteht darin, die Biomasse unter hohen Temperaturen und Drücken aufzubereiten, wodurch sich etwa die im Rohstoff enthaltenen Salze leichter abtrennen lassen. Dies ist eine Folge der Eigenschaften von superkritischem Wasser. Bei genügend hohen Temperaturen bzw. Drücken (374°C, 300 bar) tritt Wasser in den sogenannten überkritischen Zustand. Anders als im alltäglichen unterkritischen Wasser sind Salze in diesem Zustand nicht wasserlöslich. „Dieser Aspekt ist entscheidend, erlaubt er doch eine Nährstoff-neutrale Bioenergieproduktion aus Algen, oder die Rückgewinnung von wertvollen Nährstoffen aus Gülle oder Klärschlamm. Dieser Verfahrensschritt ist auch notwendig, um den Katalysator zu schonen, welcher für die Produktion von Methan verwendet wird.

Zudem fällt bei der hydrothermalen Vergasung der Energieaufwand für die Verdampfung des Wassers zur Trocknung der Biomasse weg. Im überkritischen Zustand ist Wasser nämlich weder flüssig noch gasförmig, es vereint vielmehr Eigenschaften beider Aggregatszustände. Dies macht das Verfahren der hydrothermalen Vergasung viel effizienter als die biotechnologischen Alternativen. Bei der hydrothermalen Vergasung können 60 bis 75 Prozent der in den Ausgangsstoffen enthaltenen Energie in nutzbare Energie umgewandelt werden.

Bis zu 100 Stunden Dauerlauf angestrebt

In der neuen Versuchsanlage KONTI-C soll nun die kontinuierliche hydrothermale Vergasung von Algen demonstriert werden. Ziel ist, das Verfahren bis zu 100 Stunden ununterbrochen am Laufen zu halten. Dafür müssen die einzelnen Komponenten der Anlage einwandfrei funktionieren und alle Prozessparameter optimal eingestellt werden. SunCHem-Projektleiter Christian Ludwig ist aber zuversichtlich, schliesslich habe man schon einige Jahre in die Erforschung des Verfahrens gesteckt, wenngleich bisher nur auf kleinem Labor-Massstab. Zwei PSI-Forschungsgruppen (Katalytische Verfahrenstechnik, Leiter Frédéric Vogel, und Chemische Verfahren und Materialien unter Christian Ludwig) arbeiten gemeinsam an der Verfahrensentwicklung und planen weitere Untersuchungen mit Gülle, Klärschlamm und anderen wässrigen Biomassen.

Der PSI-Prozess besteht aus folgenden Schritten:

  • Pumpen des Biomassebreis bei 300 bar
  • Erhitzen unter Druck auf ca. 400 °C
  • Abtrennung der Nährsalze im Salzabscheider bei ca. 450 °C
  • Vergasung zu Methan im katalytischen Methanisierungsreaktor bei 400-450 °C
  • Kühlen und Trennen von Wasser und Gas, anschliessendes Entspannen.
  • Abtrennen des CO2 (in der Testanlage nicht realisiert)

Die Vorteile der hydrothermalen Vergasung im Überblick:

  • Höherer Wirkungsgrad
  • Keine Trocknung nötig (Wasser dient als Reaktionsmedium)
  • Produkte sind reines Wasser und Methan.
  • Effiziente energetische Nutzung bestehender und neuer Biomasse-Sorten
  • Effizientes Nährstoffrecycling
  • Hormone und bioaktive Moleküle können zerstört werden

Text: Paul Scherrer Institut/Leonid Leiva

Weiterführende Informationen
Projekt SunCHem

Labor für Bioenergie und Katalyse
Kontakt / Ansprechpartner
Prof. Dr. Christian Ludwig, Leiter der Gruppe Chemische Prozesse und Materialien und SunCHem-Projektleiter,
Labor für Bioenergie und Katalyse, Paul Scherrer Institut,
Telefon: +41 56 310 26 96, E-Mail: christian.ludwig@psi.ch

Prof. Dr. Frédéric Vogel, Leiter der Gruppe Katalytische Verfahrenstechnik,
Labor für Bioenergie und Katalyse, Paul Scherrer Institut,
Telefon: +41 56 310 21 35 , E-mail: frederic.vogel@psi.ch