Du bist gut in dem was du tust, du hast Erfolg, und du bist da wo die meisten von uns hin möchten, und inspirierst die nächste Generation. Wie kannst du auch nur daran denken etwas anderes zu tun? Was soll die Gemeinschaft ohne dich machen? Und wer soll sich um das Labor kümmern?
Dass unser Umfeld eine Meinung über unsere Karrierepläne hat, lässt sich nicht vermeiden. Wie gehen wir damit um? Und was passiert, wenn wir uns für eine Karriere entscheiden, die den anderen als verrückt erscheint?
Diese und ähnliche Aussagen kamen aus meinem Umfeld, als ich mich entschieden hatte, mir eine Stelle ausserhalb der Wissenschaft zu suchen. Ich hatte natürlich meine Gründe, nur haben die niemanden interessiert. Für mein Umfeld war viel wichtiger, dass ich zu den wenigen Erfolgreichen gehörte, mit einem Prof. Dr. vor meinem Namen, eine respektierte Expertin in meinem Forschungsgebiet mit einer langen Publikationsliste, regelmässigen Einladungen an internationalen Konferenzen zu präsentieren und Reviews zu schreiben. Dass ich auch nur daran denken würde etwas anderes zu tun, mich von der wissenschaftlichen Laufbahn zu verabschieden, war nicht vorstellbar. Kommt euch das bekannt vor?
Versteht mich nicht falsch, ich habe meine Zeit als Wissenschaftlerin total genossen, und bin sehr dankbar für die spannenden Erfahrungen, die Reisen an Konferenzen, die Forschungsprojekte im Ausland, die Freiheit an meinen eigenen Projekten zu arbeiten, ständig Neues zu lernen und neue Leute zu treffen. Es war jedes Mal ein grossartige Gefühl, wenn die Daten endlich Sinn machen, und ich war stolz über einen bewilligten Projektantrag, ein akzeptiertes oder zitiertes Manuskript, oder wenn meine Studierenden erfolgreich abschlossen. Mein Leben als Wissenschaftlerin war ein einziges Abenteuer, ich war ständig unterwegs, ständig auf einer Mission zu Verstehen, die Grenzen auszuweiten und das Forschungsgebiet vorwärts zu bringen.
Dieses Leben hatte allerdings einen Nachteil, und damit meine ich nicht, dass ich in einem Jahr drei Steuererklärungen in drei Ländern ausgefüllt habe oder die ewigen Verhandlungen mit Versicherungen. Viel mehr hatte ich diesen Weg nie aktiv gewählt. Als 6-er Studentin war es irgendwie klar, dass ich weitermachen und eine Doktorarbeit schreiben würde. Umgeben von Wissenschaftlern und mit vielen Ermutigungen (‘du bist gut, du solltest weiter machen’), folgten Postdoc-Projekte. Mit 32 war ich Assistenzprofessorin, kaum älter als meine Studierenden und viel jünger im Vergleich zu den Kollegen. Klar, es steckt viel Arbeit dahinter (wissenschaftliche Forschung IST viel Arbeit), und gleichzeitig bin ich einfach irgendwie da gelandet… Während der ersten Jahre als Professorin war ich damit beschäftigt, all die neuen Aufgaben zu meistern: eine Forschungsgruppe leiten, die Arbeitskultur in der Gruppe etablieren, Konflikte inner- und ausserhalb der Gruppe lösen, ein Labor führen, unterrichten, mich um Schreibblockaden und krankheitsbedingte Langzeit-Abwesenheiten kümmern. Erst dann habe ich angefangen zu überlegen, was ich denn eigentlich will, und welche Karriere zu mir passt. Und da ist mir aufgefallen, dass meine Arbeit zwar eine spannende Herausforderung ist, aber nicht wirklich zu mir passt. Mein Umfeld sagte mir zwar ich sei eine gute Professorin, aber es gab diese Diskrepanz zwischen meinen Interessen und den täglichen Aufgaben. Und so habe ich mich entschieden, mich von der Wissenschaft zu verabschieden, und auf Coaching & Beratung zu setzen.
Spannend waren die Reaktionen aus dem Umfeld ein paar Monate später und nachdem ich meine neue Stelle angetreten habe: die gleichen Personen, die mich für verrückt erklärt hatten, sagten nun, die neue Stelle passe super zu meiner Persönlichkeit, und dass sie schon immer gewusst hätten, dass ich gut im Beraten sei. Sie hatten einfach eine Weile gebraucht um sich mit dieser Idee anzufreunden. Lasst euch nicht entmutigen von dem was euer Umfeld sagt und verwirklicht eure Träume, probiert aus was auch interessiert. Konzentriert euch auf Personen, die euch unterstützen, alle anderen werden sich schon noch daran gewöhnen.