Die Doppelagenten

Sie haben zwei E-Mail-Adressen, zwei Büros, zwei Aktenregale an zwei Orten: rund 60 der Forschenden am PSI sind zugleich Professoren oder Dozenten an einer Schweizer Hochschule. Auch wenn ihre Termingestaltung manchmal kniffelig ist: am Ende profitieren sowohl das PSI als auch die Universitäten von den Forschenden mit doppelter Zugehörigkeit.

Frédéric Vogel seufzt ein wenig theatralisch: Wenn ich mal rasch ein bestimmtes Fachbuch brauche, ist es garantiert in meinem anderen Büro. Vogel ist Forscher am PSI. Er ist ausserdem Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Brugg/Windisch. Am einen Ort erforscht er, wie sich aus Algen, Gülle und Klärschlamm Biomethan zur Energiegewinnung erzeugen lässt. Am anderen hält er Vorlesungen über Verfahrenstechnik und erneuerbare Energien. Sein Arbeitsvertrag teilt die beiden Aufgaben je ungefähr zur Hälfte ein.

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An einer FH weiss man, wie man mit der Industrie redet und gemeinsam echte Produkte entwickelt. Das bereichert auch meine Forschungsarbeit am PSI.
Die Finessen und Unterschiede des administrativen Aufwandes an zwei unterschiedlichen Institutionen – auch das muss ich jetzt beherrschen.
Frédéric Vogel

Menschliche Verbindungen

Vogel ist nicht alleine: Rund 60 der knapp 800 Forschenden, die am PSI arbeiten, haben solche gemeinsamen Professuren mit Schweizer Universitäten oder Fachhochschulen. Durch ihren Doppelstatus weben sie ein feines Spinnennetz zwischen dem PSI und den Hochschulen. Dessen Fäden haben eine Gesamtlänge von über 700 Kilometern. Die Verbindungen sind unsichtbar und verlaufen meist entlang der Bahnschienen, manchmal entlang der Strassen. Und sie sind belastbar: Die enge Zusammenarbeit, die entsteht, wenn ein und dieselbe Person sich an zwei Orten beruflich heimisch fühlt, lässt sich mit kaum einem anderen Mittel erreichen.

Vogel und die anderen Doppelagenten wissen das: Wir bringen die Forschungsthemen des PSI an die Hochschulen; wir machen bekannt, welche Möglichkeiten die hiesigen Grossgeräte offerieren, so Vogel. Denn die einzigartigen Grossforschungsanlagen des PSI stehen generell Wissenschaftlern aller Arten von Forschungseinrichtungen zur Verfügung – also insbesondere auch den Schweizer Universitäten.

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PSI und ETHZ: Ich arbeite gleich an zwei renommierten Einrichtungen. Indem wir die Ressourcen an beiden kombinieren, können meine Mitarbeitenden und ich wirklich herausragende Forschung machen.
Beide meiner Aufgaben bringen E-Mails, Meetings und Büroarbeit mit sich. Damit bei dieser doppelten Ration nichts untergeht, plane ich meine Arbeitszeit genau durch.
Laura Heyderman

Die Verbindung wirkt natürlich auch in die andere Richtung: Wir Dozenten sind Türöffner für Studierende, sagt Laura Heyderman, ordentliche Professorin an der ETH Zürich und zugleich Forscherin am PSI. Durch meine Vorlesungen lerne ich Studierende kennen und manche kommen später ans PSI – für ein Praktikum, für eine Abschlussarbeit oder als Nachwuchsforschende.

Engagierte Nachwuchstüftler, die sowohl im ganz kleinen als auch im grossen Massstab denken können, sind in Heydermans Forschungsgruppe am PSI gerne gesehen: Hier untersuchen Heyderman und ihre Mitarbeitenden das Verhalten winziger Nanomagnete, die eines Tages zum Werkstoff einer neuartigen Computertechnik werden könnten. Die ausgeklügelten Experimente finden oft an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz SLS statt, einer der Grossforschungsanlagen des PSI.

Rund 60 der PSI-Forschenden haben zugleich eine Professur oder Dozentur an einer Hochschule.

Zugverbindungen

Die gemeinsame Professur hat im Alltag auch Schattenseiten: Die Büroarbeit kommt in doppelter Ration: Meetings, E-Mails, administrative Aufgaben , so Heyderman. Doch im Grunde gefällt ihr das Nomadentum, wie sie ihre Arbeit an – und zwischen – den beiden Institutionen nennt: Ich habe immer meine aktuellen Unterlagen im Rucksack dabei; der Zug ist sozusagen mein drittes Büro.

Das Zugnetz der Schweiz ist mein Verbündeter , sagt auch Christian Rüegg, Leiter des Bereichs für Forschung mit Neutronen und Myonen. Er ist einer von zwei PSI-Forschenden, die bis an die Universität Genf fahren; dort hat er eine Titularprofessur. Sein Wohnort ist Aarau – also zwischen den beiden Arbeitsstätten. Dennoch sind es für ihn drei Stunden bis nach Genf. Ganz klar, da muss ich mich entsprechend organisieren, sagt er. Seine Vorlesungen in Genf hält er daher nicht nach einem wöchentlichen Stundenplan, sondern in komprimierten Blockeinheiten ein- oder zweimalig pro Semester.

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Die Grossforschungsanlagen des PSI stehen auch den Universitäten zur Verfügung – hier gibt es zentral eine Forschungsinfrastruktur, die keine Hochschule alleine stemmen könnte.
Drei Stunden Zugfahrt brauche ich für die einfache Strecke nach Genf – da muss ich mich entsprechend organisieren.
Christian Rüegg

Das passt gut zu seiner Forschung am PSI, die ebenfalls in Blöcken stattfindet: In seinem Büro hängt ein Plan, an dem er für das ganze Jahr im Voraus ablesen kann, in welchen Wochen er und seine Mitarbeitenden Messzeit an der SINQ, der grossen Neutronenquelle des PSI, nutzen können. Deren Neutronenstrahlen braucht Rüegg für seine Experimente an magnetischen Materialien. Das PSI ist zu Recht für diese Grossforschungsanlagen bekannt, darin ist man hier erstklassig und einzigartig: Nicht nur gibt es hier diese Anlagen und die zugehörige Infrastruktur, sondern man findet am PSI auch all die Experten, die für deren Bau und den perfekten Betrieb nötig sind. Die einzelnen Schweizer Universitäten können das nicht leisten – und müssen das dank des PSI auch gar nicht.

Umgekehrt haben auch die jeweiligen Hochschulen verborgene Talente: Fachhochschulen beispielsweise sind sehr gut darin, Partnerschaften mit Industrieunternehmen aufzubauen. Von diesem Geschick kann ich auch am PSI profitieren, erzählt Vogel. Die vielen Vorteile machen daher die Alltagshürden mehr als wett, finden er und die anderen PSI-Forschenden mit Doppelstatus. Und so spinnen sie weiter an dem feinen, belastbaren Netz, von dem wenige wissen, das aber vielen nutzt.

Text: Paul Scherrer Institut/Laura Hennemann